Lehrjahre sind keine Herrenjahre…
…heisst es. Dem ist im Allgemeinen wohl auch so. In unserem Falle aber anscheinend nicht. Wir befinden uns zwar in unserem RCN Lehrjahr, nichtsdestotrotz haben Thomas und ich am Samstag unseren ersten Klassensieg am Ring eingefahren. Nicht nur unseren ersten, gemeinsamen. Nein, es war für uns beide der erste Klassensieg überhaupt am Ring. Aber nicht nur das. Hätte mir am Freitag jemand gesagt, dass wir jemals mit Madame Lillifee einen 11. Platz im Gesamtklassement eines RCN Laufes erreichen würden, dann hätte ich ihn gebeten wahlweise die Nadeln an seiner Tanne oder die Latten an seinem Zaun nachzuzählen. P11 Gesamt mit 190 wackeren Pferdchen in einem Auto Baujahr “letztes Jahrtausend”. Nein, wir haben nicht heimlich im Lotto gewonnen und uns mal kurz einen Werks-GT3 geliehen. Und ja, ich bin nüchtern. Verwirrt, selber noch etwas ungläubig, glücklich, aber völlig und einhundert-prozentig nüchtern. Ich erzähle einfach mal ein bischen von meinem Teil des Rennens. Thomas wird gerade kaum dazu kommen. Der heiratet am Wochenende und hat sicher anderes im Kopf.
Also… mitten hinein in das Geschehen:

Schon der morgendliche, erste, prüfende Blick gen Eifelhimmel hatte die bekannten Wetterdaten bestätigt. Und jetzt gleich zweimal. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei ca. 100% und sie verteilt sich tropfenförmig bis strömend. Es eifelt. Kein Problem. Wir sind stolze Besitzer einer Geheimwaffe. Nagelneue Dunlop Regenpneus. Ein Geheimtipp unter Kennern. Man munkelt Moses habe das rote Meer gar nicht geteilt. Nein, er hat wohl vorher bei Dunlop bestellt und ist durchgefahren. Abgesehen davon waren wir uns sowieso einig… das Wetter wird ohnehin überbewertet.
Ich sitze endlich im Auto. Es ist brütend heiss, Heizung und Gebläse machen Überstunden, der Regen prasselt auf die Scheibe. “Wenigstens ist es hier drin trocken!” Ich stehe an der Zapfsäule, während Arnulf vom Team sich a) nassregnen lässt und b) das kostbare Super Plus (mit Ring-Zuschlag) in den Tank füllt. Der Schweiss läuft mir jetzt schon in die Augen und eigentlich müsste der Sitz doch noch eine Raste zurück, aber nun ist der Gurt nunmal zu und fest. Das muss jetzt auch so gehen. Ich trinke gedankenverloren noch einen Schluck Wasser. In mir kommt so eine merkwürdige Ruhe hoch. Sie durchströmt mich langsam. Ich bin eigentlich schon draussen, auf der Schleife. “Tock, Tock”. Das Klopfen auf’s Dach signalisiert “fättisch, mach Disch fott, Alter”. Conny steht neben dem Auto, beobachtet den Verkehr, gibt mir das Zeichen zum losfahren. Auf geht’s. Motor läuft, Gang rein, anfahren. Mein Rennen hat soeben begonnen.

Erstmal ganz vorsichtig. Auch Regenreifen brauchen Temperatur. In der ersten Hatzenbach-Kurve endloses Untersteuern bevor ich richtig auf’s Gas kann. Ich rede mit mir selbst. “Bleib ruhig, das wird, die Reifen sind kalt.” Erstmal Platz machen, den anderen nicht im Weg rumstehen. “Boah, in der Gischt eines Vorausfahrenden ist gucken echt Essig!” Ausgang Hatzenbach sind die Reifen dann da. Anfahrt Flugplatz Doppelgelb und ein Cayman im Grünen. Wasser, Wasser, Wasser. Richtig viel davon. Gut. Wir sind richtig bereift. Ich fange an mich dem Limit zu nähern. Leicht untersteuernd durch den Flugplatz, dann mit Vollgas auf’s Schwedenkreuz zu. Der unwillkürliche Blick auf den Tacho… es sind knappe 200. “Da geht in der nächsten Runde noch was! Muss!” Ich muss dann immer grinsen. “Bekloppt!” Anbremsen Aremberg ist grenzwertig. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Vorderräder abwechselnd blockieren. Trotz des relativ moderaten Tempos. Seltsam. Ab in die Röhre. Hier ist die schiere Menge Wassers ein echtes Problem. Dauernd schwimmt Lilli irgendwo auf. Das erste Auto steht zum Überholen an. Ich grinse wieder. “Jetzt gehen wir jagen, mei Guuhdsde!” Am Forst sehe ich den nächsten Voraus. Der Regen wird stärker. Metzgesfeld aussen bleiben, die rutschige Stelle umfahren. “Ah ha. Da ist eine Kante im Asphalt.” Eben da, wo ich mich beim letzten Lauf gedreht habe. Man hat wohl versucht, das BMW Logo weg zu fräsen. Die Kante trifft man sonst wahrscheinlich genau mit dem Hinterrad. Ist notiert. Mein Blick ist aber eigentlich nur noch auf den Audi vor mir gerichtet. Am Eingang der Spiegelkurve macht er fair Platz. Breitscheid wieder das Problem mit den Vorderrädern beim Anbremsen. Dann erstmal komplett freie Bahn bis zur Steilstrecke. Lilli fühlt sich gut an, gerade in den schnellen Ecken. Die neuen Reifen sind ein deutlicher Fortschritt gegenüber ihren Vorgängern. “Das wird gut!” Der Polo bleibt fair Innen, einfach Aussen rum. Der “Mädels Seat” verschwindet gerade im Karussell. Im Wippermann Lichthupe, Eschbach setzt sie den Blinker und Aussen vorbei. So langsam macht das Spaß! Richtig Spaß! Im Brünnchen stehen bei dem Wetter tatsächlich Zuschauer! Dankeschön! Frei bis Pflanzgarten 1. Sprung. Auerha! Die Rechts noch zu kriegen ist grenzwertig. “Ruhig Brauner. Alles wird gut! Nicht schon in der Besichtigungsrunde in den Kies!” Eingangs Schwalbenschwanz macht ein oranger Astra Platz. Oh. Aussen, auf Höhe des Einlenkpunktes liegt irgendein Kohlefaserteil. Auch notiert! Eingangs Döttinger Höhe rufe ich in der Box an. “10:16, richtig?” “Richtig!” Meine Sollzeit, die ich in der nächsten Runde treffen muss. Die fünfte Welle liegt an, wie in jeder ersten Runde will ich dann in den sechsten. Lilli hat aber nur Fünf. Auch gut, bleibt er halt drin. Gespräch beendet, dass Data-Recording wird später knappe 220 vermelden. An der Touri-Auffahrt blinkt die E-Unit, aber sie lassen mich erst vorbei. Ich überlege kurz… “zuckst Du in der Senke?” Ich schaue zur Sicherheit nochmal in die Spiegel, alles frei. Ich stelle die Uhr auf Null, kontrolliere die Abreisszettel. Senke, Tiergarten, Hohenrain. Feuer! Die nun folgende Bestätigungsrunde gibt es quasi Live. Zum selber schauen.
http://www.youtube.com/watch?v=8bQ121eMUhc
Dazu noch eine kleine Anmerkung: Bei 7:18 sieht man, wie ich ein Gespräch der Box annehme. Man sieht direkt danach wie ich Quersteher korrigiere. Das dazugehörende Gespräch will ich den geneigten Zuschauern nicht vorenthalten:
“Wo bist ‘n Du grad.”
“Fast in der Leitplanke.” Ich denke es, sage es aber nicht. Meine Antwort: “Ich mache hier jetzt nicht den Reiseführer. Was weiss denn ich?!” Ich sehe das Schild. “Wippermann.”
“Du bist zu langsam.”
“Ich kann aber nicht schneller.”
“Melde Dich, wenn Du auf der Döttinger Höhe bist.”
“Ok.”
Genau darin liegt eben der Vorteil moderner “In-car-communication-systems”. Früher hätte man solche Infos nicht miteinander teilen können. Man konnte mit Boxentafeln eben nicht reden. Thomas fand den Spruch übrigens in dem Moment garnicht so witzig. Ich hatte ihn auch garnicht witzig gemeint, ich war einfach nur in einer ganz anderen Welt. Trotzdem an der Stelle nochmal ‘ne Entschuldigung, Thomas!
Die Runde ging knapp daneben. Ich habe die angepeilte 10:16 um 6 Sekunden verpasst. Dafür gab’s 60 Strafpunkte. Im Prinzip 60 Sekunden Zeitstrafe. In der Endabrechnung hat sich dann aber herausgestellt, dass die Gegner auch (fast) alle ihre zweite Bestätigungsrunde vergeigt hatten. Teilweise noch deutlich heftiger als ich.
Der Rest meines Rennens war eigentlich recht ereignislos. Ausser noch ein Paar Dutzend Rutschern vielleicht. Und einem richtig heftigen “Uiuiui” Moment im Kallenhard bei dem ich eigentlich sicher war, dass der Karosseriebauer jetzt Arbeit bekommt. Zu dem Zeitpunkt war der Akku der Kamera schon leer, daher bleibt die Aktion der Nachwelt erspart.
Eine Anekdote am Rande gab’s auch noch… wer sich noch an meine früheren Rennberichte erinnert, der erinnert sich eventuell noch an mein gespaltenes Verhältnis zu Wasser im Fahrzeug. Ich habe ich-weiss-nicht-wie-viele Versuche gebraucht, bis ich endlich ein funktionierendes Trinsystem hatte, dass auch Heute noch zuverlässig seinen Dienst tut. Trotzdem war das Wasser da. In meiner vorletzten Runde habe ich eine Bewegung aus dem Augewinkel registriert und mir erst nichts dabei gedacht. Die Bewegung wurde aber immer deutlicher. In der letzten Runde habe ich beim anbremsen am Aremberg nach Rechts gesehen. Es war eine Welle. Jedes Mal beim Bremsen ist sie nach Vorne geschwappt und beim Beschleunigen wieder nach Hinten. Eine richtige Welle, bestimmt 10cm hoch. Dankenswerterweise blos auf der Beifahrerseite, sonst wären die schnellen Schuh wohl durchgeweicht.
Ich bin einfach ins Ziel gefahren. Hab’ blos die Vorlage verwandelt, die Thomas mir zugespielt hat. Er hat in seinem Turn die Nerven behalten und hat nicht auf Slicks gewechselt. Hat es dann verstanden auf abtrocknender Strecke die Regenreifen nicht zu ruinieren und dabei trotzdem schnell zu fahren. Und er ist dann noch gut durch das erste Regenchaos gekommen. Thomas hat alles richtig gemacht und ich habe eben mit ganz brauchbaren Zeiten im Regen verwandelt. Teamwork. Und Thomas und ich sind ein gutes Team!
Es war ein toller Tag, ein irres Rennen. Sicher mein persönlich bestes Rennen auf der Nordschleife bisher. Nicht wegen des Ergebnisses, nein, einfach weil ich wirklich gekämpft habe. Dank an Thomas, Dank ans Team und ‘nen riesen Dank natürlich an Madame Lilli. Hast’s allen gezeigt, braves Mädchen!
Achso… PS quasi: Weil Thomas beschäftigt ist, gibt es hier seine schnellste Runde. Wohlgemerkt auf Regenreifen bei fast trockenen Bedingungen. Schneller kann man mit den Reifen in solchen Momenten nicht fahren, weil man sie sonst zerstört. Wie gesagt… seine Cleverness zu dem Zeitpunkt war der einzige Grund, warum ich mit dem Reifensatz später im Regen noch schnell fahren konnte! Genug der Vorrede. Thomas bei der Arbeit:
http://www.youtube.com/watch?v=KLzLLjl1zpI